Ars legendi-Preis für exzellente Hochschullehre 2017

Ars-Legende-Preis 2017Der Stifterverband für die Wissenschaft und die Hochschulrektorenkonferenz haben mir am Dienstag an der Goethe-Universität Frankfurt den Ars legendi-Preis 2017 für exzellente Hochschullehre überreicht. Diese bundesweite Auszeichnung wird fachübergreifend seit 2006 vergeben. Das Jahresthema lautete dieses Mal: Praxisbezüge und Praktika im Studium. Die Jury sah mich als „Taktgeber und Motor bei der Verzahnung von kommunikationswissenschaftlicher Theorie und Journalismusforschung mit praktischer Ausbildung“. Studierende hielten bei der Preisverleihung eine Laudatio. Das Foto (von Uwe Dettmar) zeigt die Studenten Lukas von Eyb und Lukas Müller, Bettina Jorzig vom Stifterverband und die Studentin Bernadette Uth. Hier meine Dankesworte bei der Preisverleihung:

Sehr geehrte Damen und Herren, werte Jury!

Vielen Dank für diese feine Auszeichnung, die mich gleich mehrfach freut. Der Ars legendi- Preis 2017 ist aus meiner Sicht der ehrenvollste Wissenschaftspreis. Zum einen, weil wir vor lauter Exzellenzinitiativen und Ressourcen für die Forschung schon fast vergessen haben, dass die enge Verknüpfung von Lehre und Forschung und das Bemühen um gute Lehre den Wesenskern der Universität ausmachen – der Ars legendi-Preis erinnert uns nachdrücklich daran. Zum anderen, weil es in diesem Jahr um die Praxisbezüge in der Lehre geht. Und diese sind in der deutschen Wissenschaftskultur alles andere als selbstverständlich, aber mich traf dieses Thema mitten in meine DNA als Wissenschaftler und Hochschullehrer.

Als ich als Student an die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt kam, hatte ich schon drei Jahre lang als Journalist gearbeitet. Im Gegensatz zu meinen Mitstudierenden fieberte ich weniger auf die Praxistrainings im Studiengang Journalistik hin, sondern auf die Forschung: Ich wollte mehr wissen über diesen Beruf, welche Bedeutung er für die Gesellschaft hat und wie man ihn verantwortlich ausübt, wie er in anderen Ländern und Erdteilen praktiziert wird und vor allem, was man besser machen kann. Ich habe alle Lehrveranstaltungen und Literaturlisten auf die damals recht wenigen Praxisbezüge der Forschung hin durchforstet. Und als ich nach dem Studium als wissenschaftlicher Mitarbeiter 1996 an der Universität Eichstätt anfing und 2001 als Professor an der Hochschule Darmstadt weitermachte, war die Verknüpfung von praxisorientierter Forschung und Lehre mein erstes Ziel.

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Mein zweites Ziel ist inzwischen zur Leitidee meiner Lehre geworden: Der rasante Wandel des Gegenstands der Journalistik, nämlich der Medienwandel durch Digitalisierung, hat dazu geführt, dass Innovationsfähigkeit zu einer wesentlichen Kompetenzanforderung für junge Journalisten geworden ist. Simulation gängiger Praxis alleine erfüllt nicht mehr den Anspruch von Hochschullehre; die forschungsbasierte Weiterentwicklung der Praxis kommt hinzu. Wir können in der Lehre nicht nur Forschungsergebnisse, also nicht nur Gewissheiten vermitteln, sondern beginnen auch mit Forschungsfragen und entwickeln mit Studierenden zusammen Lehrforschungsprojekte, um gemeinsam zu ergründen, wohin uns die Medienzukunft führt und wie Journalismus verbessert werden kann. Beispielhaft sind die Projekte im Eichstätter Masterstudiengang Journalistik, in denen Studierende in Teams Redaktionsanalysen durchführen und in Redaktionen erforschen, wie Journalismus organisiert ist und wo Optimierungspotentiale liegen. Die Erkenntnisse tragen wir als Transfer in die Redaktionen zurück.

Als Einzelkämpfer schafft man dies alles nicht: Man braucht engagierte und motivierte Studierende, man braucht die Strukturen der Studienprogramme – und Kolleginnen und Kollegen, die ähnlich ticken. Deshalb sehe ich den Preis auch als Auszeichnung des Faches Journalistik, das den Rahmen für diese vielfältigen Praxisbezüge aufspannt. Und als Auszeichnung für die Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, die mit den Studienprogrammen genau diese Verknüpfung von Theorie, Forschung und Praxis vom Grundstudium im Bachelor bis zum Promotionsstudium auf allen Ebenen ermöglicht.

Wer Lehre und Forschung ganzheitlich aufeinander bezieht, braucht Praxisbezüge auch in der Forschung, muss Probleme der Praxis in der Forschung aufgreifen und am Transfer von Forschung in die Praxis arbeiten. Eine solche Haltung sorgt vielerorts in der Wissenschaft für Irritationen – meine fabelhaften Kolleginnen und Kollegen haben meine Irritationen nicht nur angenommen, sondern durchgehend befruchtet und beflügelt. Deshalb nehme ich diesen Preis auch stellvertretend für diejenigen entgegen, mit denen ich in den vergangenen 20 Jahren zusammenarbeiten durfte – an der Hochschule Darmstadt, der TU Dortmund und davor und jetzt wieder seit 2011 an der Katholischen Universität Eichstätt- Ingolstadt. Da waren in Darmstadt zum Beispiel der Mediensoziologe, von dem ich Möglichkeiten der Team- und Gruppenarbeit Studierender in wissenschaftlichen Seminaren lernte, oder die Stadtsoziologin, die mir und den Studierenden den Blick für einen wissenschaftlich fundierten Lokaljournalismus öffnete, oder die Biochemiker und der Physiker, mit denen ich den Studiengang Wissenschaftsjournalismus gründen durfte. Und aktuell sind es die Kolleginnen und Kollegen in Eichstätt, mit denen zusammen ich unseren praxisorientierten und internationalen Bachelorstudiengang Journalistik immer wieder im Detail optimieren darf und unseren forschungs- und praxisorientierten Masterstudiengang gründen durfte, für den uns die Absolventen in Befragungen bescheinigen, dass sie hier Theorie-Praxis-Integration gelernt haben und innovationsfähig geworden sind. Und hier schließt sich der Kreis: Ich danke den ehemaligen Studierenden, die auf mich zukommen und gemeinsame Projekte anstoßen – stellvertretend für alle den heute anwesenden Bernhard Böth, stellvertretender Redaktionsleiter beim Hessischen Rundfunk hier in Frankfurt.

An einem solchen Tag klingt es so, als würde ein Preisträger immer alles richtigmachen. „Ever tried. Ever failed. No Matter. Try again. Fail again. Fail better.“ Gerade in der Wissenschaft scheinen mir diese Sätze von Samuel Becket wegweisend zu sein, weil es in Zeiten von Gier nach Spitzenforschung und Exzellenz, Review und Evaluation ein Tabu ist, Fehler einzugestehen. Nicht nur in der Forschung, auch in Lehrsituationen, in denen Dozierende allzu sehr davon ausgehen, dass Autorität nur durch vorgebliche Allwissenheit und Fehlerlosigkeit erreicht wird. In diesem Sinne danke ich der Hochschulrektorenkonferenz und dem Stifterverband, dass Sie mein Bemühen, in jeder Lehrveranstaltung besser zu scheitern, mit dem Ars legendi-Preis ausgezeichnet haben. Und ich verspreche, ich werde mich weiter bemühen. Vielen Dank!

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